So war das mit dem Spielabbruch
Quelle Eckernförder Zeitung vom 28.06.2012Nachdem gestern der Spielabbruch zwischen Inter Türkspor Kiel und dem Eckernförder SV in der Fußball-Verbandsliga sein kurioses Finale erlebte - der ESV forderte ein Nachholspiel und sagte es dann selber wieder ab (wir berichteten) - sprach die Eckernförder Zeitung mit dem betroffenen Schiedsrichter-Assistenten Sven Lüdtke vom SV Grün-Weiss Todenbüttel. Der 34-Jährige Disponent einer Spedition erklärte von einem Zuschauer geschubst worden zu sein, doch das Verbandsgericht des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbands (SHFV) sah diese Aussage als nicht bewiesen an. Für Lüdtke ist dieses Urteil eine große Enttäuschung. Im Interview spricht er über den Fall, das Verbandsgericht und seine Zukunft als Schiedsrichter. Herr Lüdtke, der Spielabbruch zwischen Inter Türkspor Kiel und dem ESV ist nun vom Verbandsgericht so gewertet worden, dass die Heimelf mit 1:0 gewonnen hat. Dementsprechend ist man Ihrer Aussage, Sie seien umgestoßen worden, nicht mehr gefolgt. Was sagen Sie zu diesem Urteil?Sven Lüdtke: Damit sagt das Verbandsgericht klipp und klar, dass dieser Vorfall nicht statt gefunden hat. So hat das Gericht eine Entscheidung getroffen, die Mut dazu macht, als Verein mit eigenen Zeugen gegen Spiele anzugehen. Man spricht mir durch dieses Urteil meine Unparteilichkeit ab. Deshalb bin ich natürlich maßlos enttäuscht vom Verband.
Wie haben Sie von dem Urteil erfahren? Durch den Anruf der Eckernförder Zeitung. Auch das finde ich enttäuschend. Eine kurze Information hätte ich schon erwartet. Jetzt bin ich auf die offizielle Begründung des Verbandsgericht gespannt.
Blicken wir kurz zurück: Schildern Sie bitte, was nach dem verschossenen Elfmeter am 1. Mai passiert ist. Ich begab mich von meiner Position am Strafraum wieder zur Seitenlinie um die Position für den Abstoß und den weiteren Spielverlauf einzunehmen. Hierbei bin ich von einer Gruppe von Fans des Heimvereins massiv beleidigt worden. Ich wollte versuchen diese Gruppe zu bitten die Beleidigungen für die verbleibenden zehn Minuten zu unterlassen, jedoch hatte ich keinerlei Möglichkeit was zu sagen, sofort erhob ein Zuschauer die Faust gegen mich, nahm seine zweite Hand zur Hilfe und änderte die Faust in eine flache Hand und stieß mich dann mit beiden Händen gegen den Brustkorb, daraufhin ging ich zu Boden.
Was passierte danach? Nachdem der Hauptschiedsrichter das Spiel abgebrochen hatte und die Teams darüber informierte, gingen wir als Gespann in Richtung Kabine. Auf dem Weg wurden wir von einigen Zuschauern beleidigt und der Zuschauer, der mich zuvor gestoßen hatte, versuchte uns anzuspucken. Ich konnte jedoch ausweichen. Hierbei wurde er von anderen Zuschauern und Offiziellen der Heimmannschaft festgehalten und auf Abstand gehalten.
Was haben Sie für Schlüsse aus diesem Erlebnis und dem abschließenden Urteil gezogen? Ich frage mich natürlich, warum sich Schiedsrichter an einem Feiertag in ihrer Freizeit an die Linie stellen sollen, wenn so etwas dabei herauskommt. Ich würde einem jüngeren Assistenten nach diesem Urteil raten, wenn er körperlich angegangen wurde, so zu tun, als ob nichts war. Mein Name steht jetzt für diesen Fall. Bei der Arbeit werde ich immer noch darauf angesprochen, wenn auch mehr als Flachs, aber ich wurde auch schon über das Internet beschimpft. Das ist jedoch schon häufiger passiert - mir und auch anderen Schiedsrichtern. Das ist ein Problem, mit dem der Verband und die Kreise leider nicht umzugehen wissen.
Nach dem Einspruch von Inter Türkspor gegen das Urteil des Sportgerichts, mussten Sie beim Verbandsgericht erscheinen, um ihre Aussage zu machen. Wie haben Sie den Prozess erlebt? Zuerst muss ich dazu sagen, dass ich eigentlich nicht erscheinen wollte, da ich meine schriftliche Aussage ja gemacht hatte und dem nichts mehr hinzuzufügen hatte.
Aber Sie sind doch erschienen, warum? Mir hat Volker Marten Lollfuß, der Vorsitzende des Verbandsgericht, am Telefon deutlich gesagt: Wenn Sie nicht kommen, prüfen wir alle möglichen Maßnahmen gegen Sie. Mir wurde also sozusagen die Pistole auf die Brust gesetzt. Obwohl mich eine mögliche Sperre nicht interessiert, habe ich nach Rücksprache mit meinem Schiedsrichterobmann doch an der Verhandlung teilgenommen. Dafür musste ich bei der Arbeit Schichten tauschen und in meiner Freizeit von Hohenwestedt nach Kiel fahren.
Und was passierte vor dem Verbandsgericht? Das war schon kurios. Ich wurde 40 Minuten lang befragt, auch zu allen Möglichen Kleinigkeiten, an die ich mich über einen Monat nach dem Spiel natürlich nicht mehr erinnern konnte. Teilweise kam ich mir vor wie der Täter. Als der Anwalt von Inter Türkspor dann gefragt hat, ob es nicht doch sein kann, dass ich einfach nur gestolpert bin, wäre ich fast unhöflich geworden. Auch die Fragen des Vorsitzenden nach meiner Erfahrung als Schiedsrichter fand ich kurios: Wie lange ich pfeife, in welchen Ligen und wie oft pro Saison - das liegt dem Verband alles vor.
Laut Verband waren gleich viele Zeugen aus dem Lager des ESV und von Inter Türkspor geladen. Können Sie das bestätigen? Nein, es war nur ein Zeuge vom Eckernförder SV vor Ort. Ich möchte aber an dieser Stelle auch sagen, dass ich Inter Türkspor vor Gericht gelobt habe. Die Mannschaft hat eine faire und tolle Spielweise. Schade, dass Zuschauer dem Ruf des Vereins schaden. (Auch im Hinspiel in Eckernförde war ein Zuschauer negativ aufgefallen und der Anlage verwiesen worden; die Redaktion)
Haben Sie schon entschieden, ob und wie es mit ihrer Laufbahn als Unparteiischer weitergeht? Ich werde über die ganze Sache nochmal mit dem Kreisschiedsrichterobmann Hans-Werner Karstens sprechen. Sicher ist, dass ich die Pfeife nicht an den Nagel hänge. Es kann aber sein, dass ich nur noch als Pflichtschiedsrichter für meinen Verein Grün-Weiss Todenbüttel aktiv sein werde oder ich als Betreuer für die ganz jungen Schiedsrichter zur Verfügung stehe. Denn die Jugendarbeit ist im Schiedsrichterwesen besonders wichtig.